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"Meine Sexualität ist mein Privateigentum": Eine Frau demonstriert in Paris gegen das geplante Prostitutionsverbot.

Foto: APA/EPA/EMMA FOSTER

Schluss mit Pigalle, dem Rotlichtbezirk am Pariser Montmartre-Hügel? Aus für den nachmittäglichen Straßenstrich zwischen den Kleiderläden der Rue Saint-Denis? Die französische Nationalversammlung hat am Dienstagabend in seltener Einigkeit eine Resolution angenommen, die "Frankreichs Politik der Abschaffung der Prostitution bekräftigt" .

Die Sozialistin Danielle Bousquet erklärte in der Parlamentsdebatte, ihre Initiative wolle mit der Idee aufräumen, dass man gegen die Prostitution nichts unternehmen könne, weil sie der älteste Beruf der Welt sei. Die bürgerliche Sarkozy-Partei UMP und andere Parteien schlossen sich dem Antrag an.

2012 soll das Verbot im Parlament beschlossen werden, die Weichen sind bereits gestellt. Sozialministerin Roselyne Bachelot nannte als Vorbild die skandinavischen Länder, wo die Freier von Prostituierten bestraft werden. Ein ähnliches Vorgehen werde nun auch Frankreich wählen. Verboten ist in Frankreich bisher nur die "Anmache" auf der Straße; ansonsten ist Prostitution erlaubt.

Die Nationalversammlung prüfte auch Regeln wie zum Beispiel in Deutschland - die Zulassung des horizontalen Gewerbes bei strikter Reglementierung bis hin ins Arbeitsrecht. Bousquet erklärte in der Parlamentsdebatte aber, dass die Prostitution in diesen Ländern sogar zugenommen habe; der Menschenhandel grassiere trotz aller Kontrollversuche mehr denn je.

Prostituierte demonstrieren

In Frankreich sind Schätzungen zufolge mindestens 20.000 Prostituierte tätig. Dutzende protestierten in Paris gegen das angekündigte Verbot. "Sexarbeiterinnen würden dadurch nur noch weiter in die Hinterzimmer und die Illegalität abgedrängt", meinte etwa die Pariserin Chloë, blond gefärbt und blau geschminkt.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet das libertäre Frankreich die Prostitution nach schwedisch-protestantischem Vorbild unterbinden will. 2003 hatte Nicolas Sarkozy als damaliger Innenminister den Straßenstrich verbieten wollen, damit aber wenig Erfolg gehabt; das Sexgewerbe verlagerte sich, wenn überhaupt, in Massagestudios.

Diverse Morde an Osteuropäerinnen und Afrikanerinnen rüttelten die Öffentlichkeit aber in den vergangenen Jahren auf. 2008 berichtete zudem eine 19-jährige Studentin in einem Buch, wie sie von der Vorlesung direkt zur Telefonsexhotline wechsle, um ihr Studium zu finanzieren. Dieses Jahr öffnete die Affäre DSK vielen Franzosen die Augen, was die Existenz von Zuhälterringen in der biederen Provinz anbelangt. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 07.12.2011)